Es muss weitergehen

„Früher hieß Weinlese Skihose, dicke Jacke und Handschuh“ sagt Dorothee Wörner, heute mit Jeans und schwarzem Top, auf dem Weg hoch in die Weinberge. Neben ihr sitzt ihre Schwester Franziska, auch sie hat nur ein T-Shirt an. Von Minusgraden und beißend kalten Winden ist hier seit vielen Jahren nichts mehr zu spüren. Stattdessen steigt der Staub in großen dichten Wolken auf, sobald ein Fahrzeug über die Feldwege fährt.

Während der alte Unimog über den trockenen Boden wackelt und hinter ihm die Welt im Staub versinkt, zeigt Doro ein Foto von sich, ihrer Schwester und ihrem Papa bei der Weinlese vor über 25 Jahren. Die Reben stehen im satten Grün, dazwischen die beiden Töchter, eingepackt in dicke Winterjacken, Mützen bis knapp über die Augen gezogen. Vater Karlheinz Wörner sitzt auf dem Traktor, eine der beiden auf dem Schoß. Es ist – und das ist deutlich zu sehen – keine Floskel, dass den beiden Schwestern das Winzern in die Wiege gelegt wurde. Das sie ihrem Vater in der vierten Generation folgen war nicht immer klar, aber als die beiden Töchter sich entschieden hatten das Winzerhandwerk zu lernen, da war die Familie stolz und glücklich.

Aber nichts im Leben währt ewig. Vielleicht ist das aber eine Floskel, vielleicht aber auch nicht. Karlheinz Wörner, Ehemann und Vater, war der „Mittelpunkt“ der Familie, „der Fels in der Brandung.“ Im Oktober 2019 bricht dieser Fels endgültig. Lange hat er sich gegen das gestemmt, was da kommen musste. Bis zum Schluss blieb er „ruhig und besonnen“, blieb er das Oberhaupt seiner Familie. „Das reißt einem natürlich den Boden unter den Füßen weg“ sagt Doro ein Jahr später. Und es ist zu spüren, dass dieser Boden noch immer manchmal wankt.

Dennoch: Es muss weitergehen. Das musste es auch damals im Oktober 2019, die Familie war schließlich mitten in der Weinlese, wie Doro heute rückblickend erzählt. Von dem Verlust der Familie erfuhr auch Georg Müller, Geschäftsführer des Maschinenrings Rheinhessen-Nahe-Donnersberg. Hier war Karlheinz nicht nur Mitglied, er war auch sehr engagiert. Georg Müller beschreibt die Situation damals so: „Ein Todesfall ist wirklich immer schrecklich, mitten in der Weinlese gefährdet er aber die Existenz dessen, was der Betriebsleiter, in diesem Fall Karlheinz, aufgebaut hat“. Damit genau das nicht passiert, schickt der Maschinenring seinen Betriebshelfer Markus Teschke zur Familie auf das Weingut. Markus ist damals direkt klar, „dass das ein Langzeiteinsatz wird.“

Das ist jetzt ein Jahr her. Markus fährt den Unimog, auf dessen Ladefläche die beiden Schwestern sitzen. Über den Weinbergen liegen die Explosionen der Knallgeräte, mit denen die Winzer ihre Trauben vor gefräßigen Staren schützen. Immer wieder tauchen die meterhohen Vollernter auf, die gefräßig die Früchte der Weinreben in sich saugen, um sie dann in großen Fuhren auf den Transportfahrzeugen der Winzer wieder abzuladen. Während Doro telefoniert und den Lohnunternehmer zu sich dirigiert, fängt Markus mit Blick auf den Boden an zu erzählen. „Viel zu trocken, ein paar Jahre hält das der Boden noch aus, dann wird es katastrophal.“ Schon nach wenigen Sätzen ist klar, dass Markus eine echte Fachkraft ist, theoretisch wie praktisch.

Er ist dieses Jahr 52 geworden, arbeitet seit neun Jahren beim Maschinenring als Betriebshelfer. Was als Notlösung begonnen hat, ist heute für ihn der Beruf, den er bis zum Ende seines Arbeitslebens ausüben möchte. Als junger Mann hat er ein Diplom in Önologie erworben, hat viele Jahre in einem Weinlabor gearbeitet und geforscht, anschließend ein Weingut mit geleitet. „Dann musste mein Arbeitgeber schließen, ich stand kurz davor, dass erste Mal arbeitslos zu werden“ erzählt Markus, während er zwischen den Reben hockt und die trockene Erde von seinen Händen streicht. Aber arbeitslos zu werden war für ihn keine Option. Er hat sich umgehört, hat erfahren, dass der Maschinenring in seiner Region Menschen wie ihn als Betriebshelfer sicher gut gebrauchen könnte. Und der Maschinenring konnte ihn gebrauchen.

Mittlerweile nähert sich einer der Vollernter, Markus und Doro bringen den Unimog mit seinen beiden Anhängern in Position. „Noch ist es kühl genug“ erklärt Doro, während der wolkenlose Himmel einen ziemlich warmen Spätsommertag ankündigt. Doro und Markus erklären, dass mittlerweile schon um drei Uhr morgens die ersten Vollernter durch die Weinberge fahren. Die Trauben müssen bei der Ernte kühl sein, sonst drohen Qualitätsverluste. „Und ab Mittag ist es zu warm, da hören alle auf.“ Also muss es schnell gehen, einer fährt, einer dirigiert, die Anhänger füllen sich mit jeder Fuhre mehr. Als beide Anhänger voll sind, geht es zurück auf das Weingut,

Markus erzählt über die ersten Tage, während er das voll beladene Fahrzeug durch die Weinberge lenkt. Er hat versucht alles so neutral wie möglich zu sehen. „Ich habe geschaut welche Aufgaben wie verteilt waren, wie die Abläufe waren und mich darin eingegliedert“ erklärt er. Bei so einem Einsatz geht es um Nothilfe, darum, die Existenz der Familie finanziell weiter zu sichern. Das macht er seit einem Jahr. In dieser langen Zeit hat er die Betriebsabläufe im Detail kennengelernt. Zwischen ihm und Doro liegen fast 20 Jahre und natürlich würde er manche Dinge anders machen. „Aber am Ende ist es deren Weingut, ich bin der Betriebshelfer. Ich kann Tipps und Ideen geben, aber die Entscheidung liegt immer bei den Betriebsleitern.“

Die Betriebsleiterinnen Doro und Franzi haben eine klare Vision, scheinen genau zu wissen, wie sie das Erbe ihres Vaters und der Generationen davor in Zukunft führen. „Der Kranich, der heute unsere Weine ziert, stammt aus unserem alten Familienwappen. Er steht für Aufbruch.“ Bei diesen Worten wird Doro stiller, die Pausen dazwischen werden größer. Denn das neue Design der Flaschen hat noch Vater Karlheinz mit angestoßen.

Die geernteten Trauben werden mittlerweile gekeltert und in einen der Lagertanks gepumpt. Vieles auf dem Hof ist neu, so auch die Idee, die eigenen Weine in der Flasche abzufüllen und direkt zu vermarkten. Doro führt über den Hof, mittlerweile muss sie wieder lachen: „Wir mussten alles umräumen und verschieben, überall musste Platz für Kisten und Flaschen her.“ Die Art wie sie das erzählt lässt deutlich spüren, dass diese Umstellung des Weinguts auch ein Aufbruch für die ganze Familie ist. Diese Aufgabe schweißt sie alle noch enger zusammen, gibt ihnen ein gemeinsames Ziel.

Dahinter wirkt immer Markus. Er ist Teil von nahezu jedem Arbeitsschritt, bleibt gerne etwas im Hintergrund. Er sagt, dass er seine Arbeit so gut wie möglich machen möchte, so, als wäre es sein Weingut. Markus ist eine Fachkraft. Er weiß ganz genau wie eine Weinernte funktioniert, wie der Pflanzenschutz am effektivsten gelingt und wie die Blätter am besten geschnitten werden sollten, damit die Trauben nicht unter der Sonne verbrennen. Natürlich gibt es bei so einem langen Einsatz auch mal Reibereien, aber genau diese menschliche Komponente schätzt er auch. „Ich arbeite eben nicht mit willen- und gedankenlosen Maschinen und bin selbst auch keine“ sind seine Worte dafür. Auch wenn er manchmal Dinge anders machen würde, seine Aufgabe ist es nicht.

Der Himmel ist wolkenlos geblieben, alles und jeder ist mittlerweile mit Staub bedeckt. Aber das Ergebnis von heute kann sich sehen lassen, da sind sich alle wiederum einig. Doro erklärt, „dass wir wirklich glücklich und zufrieden sind mit unserer Ernte.“ Auch Markus sieht das so. Er muss aber los, es ist kurz nach vier, seine Mutter hat schon seine Tochter abgeholt, weil er sich verspätet. Der Betriebshelfer verabschiedet sich, ist so in Eile, dass er sogar das Essen vergisst, das er mitnehmen wollte. Markus wird auch weiter auf den Betrieb kommen und helfen. Eben solange, bis der bewilligte Einsatz ausläuft.

Auch für Doro und Franzi geht der Tag zu Ende. Die Weinlese wird noch zwei Wochen dauern. Es ist die erste Ernte ganz ohne ihren Vater. Ob er stolz auf sie, auf die ganze Familie wäre? Die Antwort kommt sofort, abgelöst von den ersten und einzigen Tränen: Ja, er wäre stolz.

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One Reply to “Es muss weitergehen”

  1. Vielen Dank für diesen berührenden Beitrag, der einmal mehr gezeigt hat, wie wichtig es ist, Unterstützung zu bekommen, wenn es darauf ankommt. Vielen Dank an alle Beteiligten, Helfer wie Winzer, fürs Zusammen- und Durchhalten, und an den Maschinenring für seine wertvolle Arbeit.

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